Beitragsbild Blog Gesprächsführung

Gesprächsführung: “Wie frag ich’s am besten?”

10. Mai 2022 Katerina Shapiro


Kennt ihr das? Ihr habt einen tollen Gast für euren Podcast gewonnen, das Thema ist mega spannend, aber das Gespräch verläuft irgendwie schwerfällig, gar nicht so, wie ihr es euch vorgestellt  habt.

Während meines Kommunikations-Studiums habe ich mich viel dem Thema Interview und Fragen beschäftigt. Einige Frage- und Interviewtechniken verwende ich noch heute in der alltäglichen Kommunikation und möchte diese heute mit Euch teilen.

 

1.) Klärt zuerst für euch selber, mit welchem Ziel ihr das Gespräch führt 

Möchtet ihr in erster Linie (Fach-)Informationen vom Gast erhalten, oder eher seine persönliche Sichtweise auf ein Thema erfahren? Wenn es eher das zweite ist, bereitet euch mental darauf vor, dass der Gast einen anderen Standpunkt als ihr haben könnte und diesen in seiner Episode darlegen wird. So oder so braucht ihr für diese Art des Gesprächs einen Leitfaden mit Themenbereichen und dazugehörigen Fragen, den ihr vorab vorbereiten solltet. Fragt euren Gast, ob er/sie die Fragen vorab durchlesen möchte, um sich ebenfalls vorbereiten zu können.  

Soll es eher ein lockerer Plausch zu einem Thema sein? Auch hier empfiehlt es sich, zumindest ein paar Themenbereiche zu notieren, die man ansprechen möchte. Diese Art des Gesprächs kann für unerfahrene Podcast-Gäste am Anfang schwierig sein, da es oft etwas länger dauert, bis man in einen guten Gesprächsfluss reinkommt. Dafür kann sich das Gespräch in jede beliebige Richtung entwickeln, was dieses Format für alle Beteiligten sehr spannend macht.  

 

2.) Ein Vor- und Nachgespräch ist immer ratsam 

Sicherlich machen das schon viele von euch: vereinbart mit eurem Gast ein Vorgespräch zum Kennenlernen und ein Nachgespräch zum Feedback einholen. Im Vorgespräch könnt ihr euch gegenseitig kennenlernen, die Aufnahmetechnik ausprobieren und in entspannter Atmosphäre mehr über den Hintergrund eures Gastes erfahren. Außerdem könnt ihr als Host bereits ein Gespür dafür bekommen, wie euer Gast auf Fragen antwortet. Sind die Antworten eher kurz oder ausschweifend? Macht er oder sie längere Denkpausen? Solche Beobachtungen können euch später Schneideaufwand ersparen.  

Das Nachgespräch ergibt sich oft von alleine ab dem Moment, in dem ihr “Aufnahmestop” drückt. Nutzt diesen Ausklang, um Feedback zur Gesprächsführung einzuholen. Wie hat sich der Gast sich im Gespräch gefühlt? Gab es Fragen, die dem Gast schwer fielen oder – im Gegenteil – ihr/ihm halfen, in einen guten Erzählfluss zu kommen?  

 

3.) Stellt euren Gast in den Mittelpunkt und versucht, neutral zu bleiben 

  • Vermeidet suggestive Fragen. Gerade bei Themen, die euch persönlich sehr am Herzen liegen, kann es sein, dass ihr unterbewusst dazu neigen werdet, vom Gast eine Bestätigung für eure persönliche Position zu erhalten. Diese Neigung kann sich in der Formulierung von Fragen äußern. Wenn ihr merkt, dass ihr eine Frage stellen wollt, die “Findest du es okay, dass…” oder “Aber eigentlich ist es doch so, dass…” oder etwas Ähnliches beinhaltet, haltet kurz inne und sucht nach einer neutralen Formulierung.   Gute Alternativen wären z.B. “Wie stehst du zu…” oder “Kannst du beschreiben, welche Faktoren für dich bei diesem Thema besonders wichtig sind”.  
  • Vermeidet geschlossene Fragen, die sich mit einem einfachen “Ja” oder “Nein” beantworten lassen. Gibt euer Gast tatsächlich eine einsilbige Antwort, kommt ihr in den Zugzwang nach dem Warum zu fragen. Euer Gast wiederum muss dann gedanklich zu seiner letzten Antwort zurückkehren, wodurch der Gesprächsfluss unterbrochen wird. Statt zu fragen “Magst du Fischstäbchen auf Pizza?”, fragt also lieber “Wie stehst du zu Fischstäbchen auf Pizza?”.   Eine Ausnahme bilden natürlich Speed-Fragen wie “Sekt zum Frühstück: Ja oder Nein?”. Hier geht es gerade um die Kürze und Einseitigkeit der Antwort.  
  • Bei sehr komplexen, umfassenden Themen können einfache, konkrete Fragen euch und dem Gast dabei helfen, das Thema zu erschließen. Wenn ihr zum Beispiel mit einer/m ProfisportlerIn darüber reden wollt, wie er/sie zu dieser Sportart kam, ist das für den Gast ein so facettenreiches Thema, dass er/sie nicht weiß, wo anfangen. Fragen wie “Wann hattest Du das erste Mal Kontakt mit dieser Sportart? Wie war es für dich damals?” oder “Welches Ereignis ist dir ganz besonders in Erinnerung geblieben?” können hier sehr hilfreich sein. Überlegt euch vorab, welche Fragen ihr bei umfangreichen Themen stellen könnt und setzt sie dann bei Bedarf ein. Schöner Nebeneffekt: Ihr erhaltet persönliche Geschichten aus dem Leben eures Gastes, die sie/ihn für eure HörerInnen als Mensch greifbar machen.  
  • Last but not least: Lasst den Gast reden! Klingt banal, ist es oft aber nicht. Wir sind es gewohnt, Dialoge so aufzubauen, dass die Redeanteile in etwa gleichmäßig sind. Bei einem Podcast, in dem der Gast jeder Folge im Vordergrund stehen soll, ist das aber nicht zielführend. Überlegt euch vorab, wie viel Redezeit ihr für euch selbst in etwa in Anspruch nehmen wollt und überlasst den Löwenanteil eurem Gast. Das bedeutet, dass man als Host manchmal auch längere Denkpausen des Gastes aushalten muss. Eure persönlichen Erfahrungen zu den angesprochenen Themen teilt ihr am besten mit Eurem Gast nach der Aufnahme. So fühlt sich sie oder er nicht “ausgefragt” von euch, bleibt aber der Star der Folge.  


Und noch was Wichtiges zum Schluss: egal wie gut ihr euch vorbereitet, es kommt oft 1.) anders und 2.) als man denkt. Versucht nicht, euch krampfhaft an den vorbereiteten Leitfaden zu halten, sondern lasst euch auch von der Eigendynamik eurer Gespräche inspirieren. Das gehört dazu zum Podcaster-Leben, das bekanntlich die besten Geschichten schreibt.